Afrika nicht nur von “oben” sehen…

Wie stellst du dir die Menschen und das Leben auf dem Kontinent Afrika vor? Woher stammt deine Vorstellung, falls du noch nie dort warst?

Ich möchte mit diesem Blogbeitrag deine Sinne schärfen, damit du sensibilisiert bist, wie du und auch andere Menschen über diesen Kontinent denken und sprechen und warum es problematisch sein kann, für drei Wochen ein Hilfsprojekt in einem Waisenhaus in Afrika zu unterstützen.


Schau dir dieses Gespräch an (1:00 bis 3:00)

Der Herr im Video ist Wolfgang Drechsler (56), seit 1995 Afrikakorrespondent für das Handelsblatt und lebt in Kapstadt. Die Dame ist Diana zur Löwen (24), Youtuberin und Influencerin, die in Berlin lebt.

Achte darauf, wie die beiden über Afrika und „Afrikaner“ sprechen:

Dieses Interview, welches Diana zur Löwen auf ihrem Instagramaccount veröffentlicht hat (dort inzwischen entfernt), vertritt stereotypisches und auch koloniales Gedankengut. Damit sorgte es auf verschiedenen Onlineplattformen für Aufsehen und wurde heftig kritisiert. Mir geht es dabei nicht darum, die junge Frau blosszustellen, da sie über die Aussagen von Herr Drechsler oft nur nickt und lächelt, sondern ich möchte, dass wir daraus etwas lernen und unsere eigenen Vorurteile überdenken. Ich finde es hingegen etwas fraglich, dass ein Afrikakorrespondent so stereotypisch über den zweitgrössten Kontinenten der Erde spricht, auf dem er selber als Migrant lebt.

White Savior

Vielleicht hast du schon einmal vom Begriff White Savior („weisser Retter“) gehört. Diese Bezeichnung wurde durch ursprünglich amerikanische Filme geprägt und beschreibt das Handeln weisser Menschen, die Menschen anderer Hautfarbe helfen wollen, da diese scheinbar nicht in der Lage sind, sich selber zu helfen. Die weisse Person wird dabei als „Held“ dargestellt.

Dieser Begriff mag für dich erst mal etwas abstrakt klingen, aber genau das wird tagtäglich Realität. Besonders in Zeiten von Social Media sind plötzlich viele Influencer*innen in Afrika unterwegs und arbeiten während ihres Kurzurlaubs für wenige Wochen beispielsweise in einem Waisenhaus. Dabei filmen sie oftmals die vielen Kinder, geben ihnen so ein namenloses Gesicht und sind berührt von der vermeintlichen Hilflosigkeit der kleinen Menschen. Von ihrer Community erhalten sie im Gegenzug oft lobende Worte für ihr soziales Engagement.

Wenn Hilfe vielleicht doch nicht hilfreich ist

Ich bin mir sicher, dass solche Aktionen eigentlich gut gemeint sind, jedoch wird dadurch ein ganz bestimmtes Bild in unseren Köpfen immer wieder reproduziert. Einerseits, dass auf dem Kontinent Afrika, der aus 55 Ländern besteht, vorwiegend arme kleine Kinder leben und andererseits, dass „wir“ Europäer mit scheinbar „so viel Wissen“, bestimmt sind, für ein paar Wochen in einem Waisenhaus, an einer Schule oder sogar in einem Krankenhaus zu arbeiten. Die meisten dieser Freiwilligen haben keine entsprechende Qualifikation und es käme für sie nie in Frage, in der Schweiz in einer solchen Institution zu arbeiten. Es fragt sich also, ob es mit solchen Tätigkeiten nicht auch oft darum geht, sich selber zu verwirklichen, indem man kurze Zeit ein bisschen „Welt rettet“ und dann wieder nach Hause fliegt.

Ich möchte Hilfsbereitschaft und soziales Engagement auf keinen Fall kleinreden, aber ich denke, dass sich viele Menschen nicht bewusst sind, was sie mit ihrem Handeln im globalen Süden signalisieren und bewirken. So ist es zum Beispiel in den Schulen für Lehrpersonen und Kinder nicht einfach, sich ständig auf neue “Unterstützer” einzulassen, die in kurzer Zeit viel verändern wollen. Diese kurze Reportage zeigt diese Problematik sehr deutlich auf.

 

Die eigenen Vorurteile überdenken

Doch zurück zum Interview. Wir müssen lernen, differenzierter über den Kontinent Afrika zu sprechen und „uns“ nicht immer als weiter entwickelt oder zivilisierter zu sehen. Klar sind wir sehr privilegiert hier in Europa, wobei uns dies nicht das Recht gibt, andere auch dahin entwickeln zu wollen, als gestelltes Vorbild zu agieren oder gar auszubeuten. Dass die Ressourcen auf dieser Welt nicht reichen würden, wenn jeder Mensch so leben würde, wie wir hier in der Schweiz, ist eine einfache Rechnung. Und dass der globale Norden aufgrund der Kolonialisierung plakativ gesagt reich ist und der globale Süden arm, ebenfalls. Mit Aussagen von Drechsler wie „Afrikaner haben leider die Tendenz, nicht in die Zukunft zu schauen“ werden all die Menschen, die in Afrika täglich forschen, arbeiten, lernen, studieren und mit viel Engagement versuchen etwas politisch oder gesellschaftlich zu verändern nicht ernst genommen. Afrika ist nicht einfach eine Dürre, ein elender Kontinent oder besteht nur aus traurigen Kinderaugen.

Und wenn ich deine wertvolle Zeit noch kurz beanspruchen darf, dann recherchiere im Internet nach der Übersetzung des Weichnachtsliedes “Do they know it’s christmas”. Vielleicht wirst du den Inhalt dieses Liedes nun mit anderen Augen sehen…

Kommentiere gerne 🙂

 

Quellenangaben
https://de.wikipedia.org/wiki/White_savior
https://taz.de/Rassismus-unter-Medienschaffenden/!5669579/
https://www.instagram.com/nowhitesaviors

Hörenswerte Podcasts
– No White Saviors Podcast
– Feuer & Brot (51. #45 White Saviorism)

 

13 Antworten auf „Afrika nicht nur von “oben” sehen…“

  1. Zum Thema Afrika und White Saviors, habe ich sehr ähnliche Ansichten und bin auch der Meinung, dass man nur mit guten Absichten aber ohne Langzeitdenken nicht nur Positives erreichen kann. In unserer heutigen Zeit vertrauen die Menschen viel zu sehr auf das was man gerade sieht (wie z.B einem Insta Post), ohne aber das gesamte Bild zu sehen. Oft wird nicht weiter darüber nachgedacht was im Hintergrund noch ablaufen könnte und hat oberflächliche Meinungen, die oft nicht mal dieselben sind. Jeder sollte sich meines Erachtens mehr mit solchen Konflikten und Tatsachen auseinandersetzen und versuchen verschiedene Blickwinkel einzunehmen um ein grösseres Verständnis für die Gesamtlage zu entwickeln. Vielen Dank für die vielen Infos und Anmerkungen.

  2. Sehr interessant! Dieser Blogbeitrag ist ein guter Gedankenanstoss für uns alle. Heutzutage sehen wir oft nur die Sonnenseite einer Tat. Auf Social Media zeigen wir einander immer wie ach so gut wir doch sind. Die Schattenseiten muss keiner sehen. Nur schon die Tatsache, dass Hilfseinsätze von Influencer auf Social Media gepostet werden, zeigt für mich, dass dabei egoistische Hintergedanken stecken. Wie du aber auch geschrieben hast, sind nicht alle sozialen Engagemente schlecht oder kleinzureden, jedoch finde ich es einfach immer wichtig, sich selbst zu fragen, aus welchem Grund man eine “Hilfstat” macht oder ob mit dieser auch wirklich geholfen ist.
    Wichtiges und immer aktuelles Thema, super Beitrag!

  3. Wow, mega Beitrag. Wie Anika sagt, bin auch ich der Meinung, dass man immer hinterfragen muss, weshalb man helfen möchte.
    Ich habe selbst schon oft darüber nachgedacht im Ausland zu helfen. Zwar mit Tieren aber schlussendlich bin ich auf den selben Schluss gekommen wie du in diesem Beitrag. Wie kann ich den Tieren helfen, wenn ich keine Ahnung habe (zB. wie man bei einer Kastration assistiert oder Krankheiten erkennt)? Ohne einen Mehrwert den ich mitbringen kann würde ich mehr blöd rumstehen, bzw. schaden als helfen. Trotzdem muss ich zugeben, dass ich nie in diesen Extremen darüber nachgedacht habe. Danke also dafür!
    Ehrlich gesagt, finde ich es umega krass, wie darüber gesprochen wird, wie viel besser “wir im Norden” sind und dass alle zu uns aufschliessen müssen. Auch wie wenig Geld tatsächlich an den Orten ankommt, wo es gebraucht wird. Alles fliesst in die Reiseagenturen und sie wissen selbst, dass nicht wirklich geholfen wird. Aber schliesslich wollen sie Geld verdienen und nutzen deshalb andere aus.
    Ein wirklich guter und sehr informativer Beitrag.

  4. Also meine Sinne sind definitiv geschärft!
    Ich glaube, dass Du das Thema, bzw. die Problematik mit Deinem Beitrag, der Dokumentation und den ausgewählten Podcasts sehr gut darstellen konntest.
    Die Frage aus der Dokumentation «Wem helfen sie denn am Ende? Den Kindern oder sich selbst?» bringt es meiner Meinung nach so ziemlich perfekt auf den Punkt.

    Dein Blogeintrag zeigt deutlich auf, dass ein Auslands-Hilfseinsatz, welcher auf dem Lebenslauf bestimmt toll aussieht, auch seine Schattenseiten hat. Für ihren Aufenthalt zahlen die freiwilligen Helfer viel Geld, doch das Problem ist ja, dass der Grossteil davon für den Flug, die Unterkunft oder die Verpflegung investiert wird, und nur ein kleiner Betrag davon effektiv an die lokalen Institutionen geht. Diese könnten das Geld, welches die Freiwilligen für ihren Aufenthalt bezahlen, wahrscheinlich viel besser gebrauchen, wenn sie es als Spende erhalten würden.

    Danke für die etwas andere Perspektive!

  5. Ich finde deinen Beitrag sehr spannend und informativ! In deinem Beitrag wird einmal von einer anderen Perspektive über Afrika erzählt.

    Ich finde es sehr gut, wenn man nach Afrika (oder in andere Länder) reist um dort die Menschen zu unterstützen. Wie du allerdings auch sagst, es wird häufig auch ausgenutzt für “Follows und Likes”, was ich einfach nicht als Korrekt empfinde. So macht man es nicht für die Bedürftigen sondern nur für sich selbst.

  6. Sehr spannender und ergreifender Blogeintrag. Es ist auf jeden Fall nötig, diese Sichtweise des White Saviors zu thematisieren, denn viele Jugendliche folgen dem Trend und wollen etwas Gutes tun. Es war mir bereits bewusst, dass diese Art von Helfen nicht immer hilfreich ist, trotzdem habe ich einige neue Einblicke bekommen. Dein Artikel zeigt die Problematik dahinter sehr gut auf und regt auch zum Nachdenken an. Ich finde es extrem wichtig diesen Trend zu hinterfragen und sich zu überlegen auf welche Weise man wirklich helfen kann oder etwas gutes tun, ohne dass es nur um Selbstverwirklichung geht.

    Ich finde du hasst mit deinem Beitrag den Nagel auf den Kopf getroffen und konntest viele Punkte nennen, die man überdenken sollte, wenn man wirklich helfen möchte.

  7. Sehr gut erklärt und gut formulierter Beitrag. Ich finde es sehr wichtig das die Sinne geschärft werden müssen, denn wir treffen an vielen Orten unbewusst diese Thematik an. Ich lese im Moment gerade das Buch “The Politics of Design”, in diesem Buch wird der Einfluss den wir als Gestalter thematisiert. Sehr spannend finde ich das die Mercator–Projektion, die Art Karte die uns am geläufigsten ist. Die Darstellung wird zum Beispiel bei Anwendungen wie Google Maps genutzt wird, sie stammt jedoch aus dem 16. Jahrhundert aus der Zeit der Kolonialisierung, Europa steht im Mittelpunkt und ist Vergleich zum Rest der Welt viel zu gross. Dieses Beispiel zeigt das auch wie wir als Gestalter die richtigen Entscheidungen treffen müssen und uns ständig hinterfragen sollten was für eine Aussage unser Arbeit hat, wie die Influencer.

  8. Dein Blogpost und auch die Kommentare sind sehr aufschlussreich. Der Beitrag leistet wichtige Sensibilisierungsarbeit. Mit strukturellem Rassismus und Klassizismus wachsen wir auf. Das Bild welches uns unteranderem von Filmen, der Spielzeugindustrie und vielleicht sogar im Unterricht von Afrika vermittelt wird hat starke kolonialistische Züge. Unsere Wahrnehmung von dem riesigen Kontinenten ist dadurch verzerrt. Den Aspekt des „Helfens“ von dem zu schreibst, finde ich sehr spannend, über die oftmals fehlenden Kompetenz der „Helfer*innen“ habe ich, muss ich zugeben, noch gar nie nachgedacht, so wird wie du sagst, das Helfen zur zusätzlichen Belastung. Ein weiteres Beispiel das leider reine Gewissensberuhigung für die Menschen des Globalen Norden ist, ist die Altkleidersammlung. Wir gehen davon aus, dass sich Menschen in “Afrika” natürlich keine Kleidung leisten können. Mit unserer qualitativ schlechten Fastfashion-Kleidung, die wir in Mengen in den Globalen Süden verfrachten wird die Textilbranche vor Ort ruiniert und Europäer*innen Konsumieren mit gutem Gewissen weiter.

  9. Es ist wichtig, diese Thematik differenziert zu betrachten. Man muss Unterscheiden zwischen einem selbstdarstellerischen Monatseinsatz eines Maturanden und sinnvoller Entwicklungshilfe. Diese könnte nämlich aus dem selben Blickwinkel des «White Saviorism» betrachtet werden, nur schon das Wort «Entwicklungshilfe» impliziert eine Unterentwicklung der Hilfenehmenden. Zeitgemässe Entwicklungshilfe jedoch orientiert sich am Grundsatz «Hilfe zur Selbsthilfe», mit dem Ziel, dass die Hilfe sich dereinst erübrigt. Des Weiteren ist die Aufmerksamkeit der Weltöffentlichkeit und somit auch die der Entwicklungsgeldgeber begrenzt. So traurig es auch klingen mag, Regionen oder Institutionen erfreuen sich wachsender Aufmerksamkeit, sobald prominente Persönlichkeiten für ihren Besuch für Schlagzeilen sorgen. Darum stellt sich die Frage, bis zu welchem Grad der Zweck die Mittel tatsächlich heiligt.

  10. Interessanter Beitrag zu einem sehr wichtigen und von uns oftmals verdrängten Thema. Besonders spannend finde ich den Absatz “Wenn Hilfe, vielleicht doch nicht hilfreich ist” Mir gefällt, wie du darin die zurzeit sehr aktuellen “Hilfsaktionen” von Influencern hinterfragst und zeigst, dass durch die von ihnen geposteten Stories und Ausschnitte, dem europäischen Bürger eigentlich ein falsches Bild vermittelt wird. Meist wissen wir weder, wie lange sich die betreffende Personin einer Siedlung aufgehalten hat, noch wie die tatsächlichen Zustände vor Ort wirklich sind.

    Ich denke für einige Influencer ist es auch eine Form von gut gemeinter Naivität: In dem sie Ausschnitte von solchen Hilfsaktionen posten, “verbessern” sie nicht nur ihren Ruf, sondern fördern vor allem ihr Selbstwertgefühl, sodass sie dann der Meinung sind, sie hätten etwas Gutes getan.

  11. Eine sehr Spannender Beitrag. Das Interview von Wolfgang Drechsler und Diana ist sehr Problematisch und vertritt wie du im Beitrag erwähnt hattest, ein sehr stereotypisches und auch koloniales Gedankengut.

    Im Allgemeinen finde ich es sehr Schwierig immer Von Afrika als einem ganzen zu reden. Da dies meist in der Beschreibung eines Opfer dasein, Im Sinne einer Geteilten Geschichte endet. Doch in sich viel facettenhafter ist als vom Westen dargestellt. Hier wird geschult das man Dessen Zustand nach dem Entwicklungsmodell des Westens beurteilt. Was wahrscheinlich einer der Gründe ist warum wir hier von uns als Fortgeschrittener denken.

    Für die, die sich noch weiter Informieren wollen, kann ich das Buch Afrotopia empfehlen. Dies wird unter anderem auch in diesem Beitrag der Sternstunde Philosophie erwähnt https://www.youtube.com/watch?v=HJyhfEqAd0M
    welcher die Gegenwartsprobleme des Kontinents gut darstellt.

  12. Sehr spannender Beitrag! Regt wirklich zum nachdenken an. Ich finde es sehr toll schriebt man nicht nur immer über die Entwicklungsprobleme und die armen Kinder, sondern schaut auch einmal das grosse ganze an und hinterfragt es. Ich persönlich stehe ähnlich zu der ganzen Sache wie du. Ich konnte bereits die Darstellung solcher Hilfsaktionen bei Social Media verfolgen, wobei ich die “helfende” Person auch kannte. Nach einer langen Diskussion darüber sind wir auf den Schluss gekommen, dass es wie du erwähnt hast sehr positiv auf viele unserer Mitmenschen wirkt und es nicht sehr öffentlich ist wie das Ganze auf die Lokalen Menschen wirkt. Ich persönlich denke für viele ist es wie du erwähnt hast ein persönliches Abenteuer von welchem man tolles Heldenhaftes erzählen kann oder eine Selbstverwirklichung um sich besser zu fühlen über unseren hohen Lebensstandard.

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