Wie jedes Jahr war am 8. März der internationalen Frauen*tag. Dieses Jahr war vor allem die Teilnehmerzahl der Demonstration in Santiago de Chile ausserordentlich hoch, geschätzt 2 Millionen Frauen*, waren an diesem Tag in der chilenischen Hauptstadt auf der Strasse.
Bis nach Zürich schwappte die chilenische Welle, den auch hier kämpften die Frauen* neben weiteren Forderungen, auch mit und für die chilenischen Demonstratinnen. Bei uns vor allem hör-, sichtbar durch die Performance „El Violador En Tu Camino“, übersetzt ein Vergewaltiger auf Ihrem Weg. Woher kommt diese Performance? Und wie kam es am 8. März, zur grössten Demonstration Chiles seit dem Ende der Diktatur?
Seinen Anfang nahm die neue Leitamerikanische Frauen*bewegung, in Buenos Aires. Als 2015, zehntausende mit der Parole „Ni una Menos“ („Keine einzige weniger“), gegen die hohe Anzahl an Femiziden protestierten. In Südamerika werden täglich 12 Frauen* aus geschlechtspezifischen Gründen ermordet. (Mittlerweile ist auch eine Gruppe in Zürich unter diesem Namen aktiv. Jeden Donnerstag Abend wenn die Mitglieder von einem Femizid in der Schweiz erfahren, treffen sie sich zu einer Kundgebung auf dem Helvetiaplatz, um auf die Gewalt gegen Frauen* aufmerksam zu machen.)
Als im Oktober 2019 in Chile die Preise der U-Bahn Tickets erhöht wurden, löste dies eine Protestwelle im ganzen Land aus, der Frust der sich in der Bevölkerung über die Jahre angestaut hatte brach aus. Für Chile die grösste Krise seit dem Ende der Pinochet-Diktatur 1989.
Der Frust der Bevölkerung Chiles ist darauf zurückzuführen, dass Chile eines der reichsten Länder Südamerikas ist, jedoch die soziale Ungleichheit extrem hoch und die Wirtschaft sehr liberal ist. Dies führte in Chile unteranderem zu einer für viele unzureichende Krankenversicherung , einer sehr niedrigen Rente und der Privatisierung von öffentliche Sektoren und des Wasser. Dabei verdient die Hälfte der Bevölkerung umgerechnet kaum mehr als 400 Euro, bei ähnlichen Preisen wie in Deutschland.
Mit auf den Strassen Demonstrierten vor allem auch Frauen*, die sich vermehrt untereinander organisierten und Gruppen bildeten. Die Protestierenden fordern eine neue Verfassung. Ende November gab der Präsident Sebastián Piñera den Forderungen nach und Versprach der Bevölkerung eine neue Verfassung, jedoch flachten die Proteste bis Mitte März noch nicht ab. Den Mittlerweile fordert viele in der Bevölkerung, den Rücktritt des konservativen Regierung und Piñeras , sowie das Ende der herrschenden Polizeigewalt. Den auf die Proteste antwortet die chilenische Regierung mit Gewalt. Während den Demonstrationen kamen 20 Personen ums Leben, vier von der Polizei oder dem Militär erschossen, 1200 lagen im Krankenhaus und 3700 wurden verhaftet, dazu stieg seit Beginn der Demonstrationen stieg die Zahl von sexueller Gewalt durch staatliche Akteure (Zahlen Dezember 2019).
„El Violador En Tu Camino“ übersetzt, ein Vergewaltiger auf Ihrem Weg. Ist eine performative Antwort des Kollektivs Las Tetis, auf die herrschende sexuelle Gewalt der Polizei während den Protesten in Chile. Ein Teil der Choreographie ist daran angelegt das sich die Frauen* auf der Polizeiwache ausziehen müssen und Kniebeugen machen. Der letzte Teil unter diesen Umständen sarkastisch klingendes Zitat aus der Hymne der chilenischen Polizei „Schlafe ruhig, unschuldiges Mädchen“. Die Performance erlangte in kurzer Zeit Bekanntheit und wurde mittlerweile schon fast in jeder grösseren Stadt auf der Welt aufgeführt.
Wenn es interessiert, die Übersetzung aus dem spanischen gibts hier: https://frauenstreikzuerich.ch/Veranstaltung/choreographie-ueben-un-violador-en-tu-camino-aus-chile
Durch das Sternchen sind alle Frauen* gemeint, die sich hinsichtlich ihrer Geschlechtsidentität als Frau verstehen.
Quellen:
https://www.zeit.de/kultur/2020-03/las-tesis-proteste-chile-suedamerika-ungleichheit-armut-gewalt-frauen-10nach8
https://www.sueddeutsche.de/panorama/weltfrauentag-chile-feminismus-1.4830272
https://www.woz.ch/2011/frauenproteste-in-chile/pinera-soll-sterben-nicht-meine-freundin
https://www.woz.ch/1944/aufstand-in-chile/das-feuer-mit-benzin-geloescht
https://taz.de/Feministischer-Protest-aus-Chile/!5644620/
https://www.arte.tv/de/videos/093847-000-A/chile-aufstand-fuer-wuerde-und-gerechtigkeit/
Ich fand diesen Beitrag sehr spannend und erschütternd zugleich.
Bis jetzt wusste ich noch nicht viel über die Polizeigewalt und vor allem die Übergriffe und Ermordungen der Frauen in Chile. Ich bin stolz auf die chilenischen Frauen und ihren Entschluss ihr Recht einzufordern und die allgemeinen feministischen Bewegungen rund um den Globus. Go Girls!
Sehr toller und spannender Beitrag. Es hat mich berührt zu sehen wie die Frauen kämpfen und sich nicht einschüchtern lassen. Was ich auch sehr schön finde ist, dass es in anderen Ländern zu Nachahmungen und somit zu Unterstützungen kommt. Ich war vergangen Sommer in Ecuador und habe dort die enorme Ungleichheit in der Bevölkerung gesehen. Ich hoffe sehr, dass die Regierung die Bedürfnisse der Protestierenden ernst nimmt und die umsetzbaren Forderungen verwirklicht.
Mega Beitrag! Ich habe das alles nicht gewusst, bin aber sehr beeindruck von den Frauen, die sich wehren und gleichzeitig sehr erschüttert. Die Polizei, dein Freund und Helfer …
Eine Verständnisfrage: Es herrschte schon immer Polizeigewalt gegen Frauen oder ist das erst seit Anfang der Demonstrationen im Oktober 2019? Und wie kommen die 12 Morde pro Tag zustande? Das sind ja extreme Zahlen. Beziehungsweise, wie kann ich mir das vorstellen, dass eine Frau ermordet wird, weil sie eine Frau ist? Mein Wissenstand ist bei diesem Thema leider so gut wie Null, habe durch dich aber zum Glück jetzt schon einiges darüber erfahren. Gruselig die offizielle Hymne der Chileni in diesen Kontext gesetzt. … Dein Liebhaber der Polizist.
Ich habe gelesen, dass jede Vierte aus geschlechtsspezifischen Gründen ermordet wird. Auch aufgrund häuslicher Gewalt und Vergewaltigungen nehme ich an…
Ich wusste ebenfalls nicht sehr viel über dieses Thema bescheid, doch durch deinen Beitrag habe ich viele neue Informationen erhalten. Das YT Video kannte ich nicht, es ist sehr berührend!
Es ist sehr schockierend zu wissen, was in Chile (und anderen Länder) vor sich geht und wo die Frauen stehen. Ich finde es unglaublich mutig und auch super, dass sich die Frauen dagegen wehren und andere auf das Thema Aufmerksam machen.
Die Polizei Gewalt gegen Frauen ist natürlich durch die anhaltenden Demonstrationen gestiegen, um die Proteste einzudämmen. Dieses Vorgehen ist natürlich nichts unbekanntes, sexuelle Gewalt wird scho seit Jahrhunderten als Mittel der Kriegsführung genutzt. Unter Femiziden ist wie Livia das bereits zum Teil ausgeführt hat, Opfer von häuslicher Gewalt, Sexualisierte Übergriffe, Ehrenmorde, gezielte Tötung weiblicher Föten etc. zu verstehen aber auch Gewalt gegen Frauen die nicht zwingend tödlich endet sollte beachtet werden da gehören unter anderem Genitalverstümmelung, Zwangsprostitution dazu, die Liste ist natürlich noch erweiterbar. Meistens ist der Mord auf den nahen Bekanntenkreis zurückzuführen.
Wow. Ich finde deinen Beitrag sehr interessant, da ich mich persönlich noch nicht tiefgründig mit diesem Thema auseinandergesetzt habe. Es ist erschütternd, dass in der heutigen Zeit immer noch so vielen Frauen ihr Recht verweigert wird. Bewegend ist es, dass die Frauen im Video furchtlos und mutig für ihre Rechte und die Gleichheit kämpfen. Ich finde es sehr schön, dass dieses Video Weltweit nachgeahmt wird und somit mehr Aufmerksamkeit erhält.
Durch deinen Beitrag habe ich viele (für mich neue) Informationen zu diesem Thema erhalten. Ich kann mir natürlich unmöglich vorstellen wie es diesen Frauen ergeht, aber nun verstehe ich ein bisschen besser wie schlimm es immer noch um einige von uns steht.